Warum es für angehende Selbstständige komplett falsch ist, mit der Frage nach dem eigenen „Warum“ zu starten!
Die Frage nach dem „Warum“ oder „Purpose“ hat in den letzten Jahren große Popularität gewonnen, besonders durch Konzepte wie „Start with Why“ von Simon Sinek. Doch was auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mag, birgt für angehende Selbständige einige Fallstricke.
Nicht das „Warum“ sollte am Anfang stehen, sondern das Handeln selbst. In diesem Blogbeitrag werde ich erklären, warum es für jeden angehenden Selbständigen absolut falsch ist, in die Selbständigkeit mit der Frage nach dem eigenen „Warum“ zu starten und warum der Ansatz „Start with Starting“ die bessere Wahl ist.
1. Die Blockade durch das „Warum“
Uns sollte klar sein, dass die Suche nach dem eigenen Warum oft zu einer mentalen Blockade führt. Viele Gründer fühlen sich so sehr verpflichtet, ihr tiefstes Warum zu ergründen, dass sie gar nicht erst starten. Unsicherheit und Selbstzweifel führen dazu, dass potenzielle Unternehmer in einer Art Stillstand verharren, weil sie das Gefühl haben, erst DIE große persönliche Motivation finden zu müssen, bevor sie mit ihrem Unternehmen beginnen.
Ich selbst habe eine Menge Umwege in meiner beruflichen Laufbahn gemacht, bevor ich mein tatsächliches „Wozu“ fand. Viele Jahre voller Experimente, Veränderungen und Misserfolge waren notwendig, um schließlich meine wahre Leidenschaft – die Online-Technik – zu entdecken. Ohne diese Erfahrungen hätte ich nie mein heutiges Ziel gefunden. Der entscheidende Punkt ist einfach, dass niemand von uns Selbständigen am Anfang der beruflichen Reise das eigene „Warum“ klar vor Augen hat. Erst durch das Handeln und Erfahrungen auf dem Weg, die wir sammeln, kristallisiert sich ein tieferes Verständnis unseres Selbst heraus.
2. Der gefährliche Perfektionismus
Das Streben nach diesem “glasklaren Warum“ führt oft zu Perfektionismus und Prokrastination. Jede Menge Selbständige setzen sich heutzutage ständig unter Druck, weil sie ein perfekt definiertes „Warum“ zu formulieren versuchen, bevor sie überhaupt den ersten Schritt in die Umsetzung machen. Und genau das hindert sie daran, ins Handeln zu kommen. Leider setzt diese Herangehensweise auf einen völlig falschen Fokus, denn anstatt darauf zu warten, bis das „Warum“ perfekt ist, sollten Selbständige und Gründer einfach starten und durch die Tagespraxis lernen.
In der unternehmerischen Realität werden die meisten unserer Ideen erst durch das Tun, durch den Kontakt mit dem Markt und durch das Feedback unserer Kunden tatsächlich geformt. Wer erst einmal darauf warten will, bis er alle Antworten gesammelt hat, verliert wertvolle Zeit und Gelegenheiten, um Erfahrungen zu sammeln. Viel wichtiger ist es, aktiv zu werden, ja, tatsächlich Fehler zu machen und dann das eigene Verhalten anzupassen, als auf eine perfekte Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ zu warten.
3. Die Märkte sind dynamisch – Flexibilität ist wichtiger als Vision
Ein weiterer wichtiger Punkt der zu berücksichtigen ist, ist, dass die Geschäftswelt durch das Internet äußerst dynamisch geworden ist. Trends ändern sich, Technologien entwickeln sich rasant weiter und die Bedürfnisse der Kunden wandeln sich blitzschnell. Unternehmer, die in dieser schnelllebigen Zeit stur an ihrem „Warum“ festhalten, riskieren, nicht mehr flexibel genug auf Veränderungen reagieren zu können.
Viele meiner Entscheidungen, die ich vor 10 oder 15 Jahren getroffen habe, würde ich heute ganz anders treffen – meistens aus ganz pragmatischen Gründen, wie etwa der Notwendigkeit, Geld zu verdienen.
Meine zweite Firma gründete ich zum Beispiel, weil mich das Internet faszinierte und keineswegs, weil ich “die Welt zu einem besseren Ort machen” wollte. Erst Jahrzehnte später, als ich mein heutiges Unternehmen gründete, wurde mir klar, dass ich damit eine tiefere Wirkung erzielen und Menschen tatsächlich inspirieren konnte, über sich hinauszuwachsen. Hätte ich die ganze Zeit stur an meiner früheren Vision festgehalten und mich nicht an die veränderten Gegebenheiten angepasst, wäre ich heute nicht da, wo ich bin..
4. Die Gefahr der Egozentrik: Der Fokus auf die eigenen Bedürfnisse
Ein weiterer Kritikpunkt am Ansatz mit dem eigenen Warum zu starten, ist die Gefahr, dass wir uns zu sehr auf unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse fokussieren. Unser eigenes „Warum“ führt uns ganz leicht zu einer egozentrischen Sichtweise, bei der wir die Bedürfnisse des Marktes vollkommen vernachlässigen. Menschen, die sehr auf sich selbst konzentriert sind, entwickeln häufig Produkte oder Dienstleistungen, die für sie persönlich bedeutungsvoll sind und keinen wirklichen Mehrwert für ihre Kunden schaffen.
Erfolgreiche Selbständige erkennen, dass es nicht um die eigene Selbstverwirklichung geht, sondern darum, reale Probleme für andere zu lösen. Das Streben nach der Kenntnis des eigenen „Warum“ lenkt zu Beginn einer Selbständigkeit viel zu häufig den Fokus auf die falschen Dinge. Die echte Aufgabe eines Selbständigen besteht schliesslich darin, sich auf die Bedürfnisse und Probleme seiner Kunden zu konzentrieren – und nicht auf die persönliche Mission.
5. Aktion schlägt Analyse – Start with Starting
Wir sollten also nicht mit der Warum-Frage beginnen, weil wir sie in dem Moment oft gar nicht beantworten können. Der Schlüssel für den Erfolg liegt im TUN. Anstatt sich in theoretische Überlegungen zu stürzen, müssen wir unsere Ideen in die Tat umsetzen und sie am Markt testen. Nur durch diese praktischen Erfahrungen lernt wir, was wirklich geht und was nicht.
Die Geschichte lehrt uns an vielen Beispielen (Ghandi, Martin Luther King, Thomas A. Edison u.v.a.): Du musst erst ins Handeln kommen, Erfahrungen sammeln und bereit sein, den Weg zu ändern, wenn es notwendig sein sollte. Unser Leben verläuft halt nicht geradlinig. Unternehmerische Reisen genauso wenig. Erst durch Rückschau verstehen wir oft, warum bestimmte Entscheidungen wichtig waren.
6. Erst die Zeit formt unser „Warum“
Meine eigene Reise zeigt, dass mir mein „Warum“ erst im Laufe der Zeit klar wurde. Mein Weg war geprägt von ganz unterschiedlich herausfordernden Stationen – von einer Selbständigkeit als Immobilien-Makler, über eine Selbständigkeit als Informatiker, bis hin zu meiner Tätigkeit als Inhaber einer digitalen Fullservice Agentur heute. Jedes dieser Erlebnisse trug dazu bei, mich zu dem Punkt zu führen, an dem ich heute stehe. Ohne die Erfahrungen hätte ich nie meine Leidenschaft und tieferen Sinn gefunden.
Und diese Erkenntnis ist tatsächlich befreiend, denn es gibt keinen falschen Weg. Jede Erfahrung, ob Erfolg oder Misserfolg, trägt dazu bei, das eigene „Warum“ zu formen. Das „Warum“ ist glücklicherweise auch nicht statisch; es entwickelt sich im Laufe unserer Zeit mit uns und entsteht oft erst durch die vielen Wendungen und Umwege, die wir auf unserem Weg machen.
Mein Fazit: Start with Starting – und keinesfalls mit „Why“!
Zusammenfassend kann ich heute sagen, dass der Ansatz „Start with Why“ für die allermeisten angehenden Selbständigen nicht der richtige Weg ist. Die Suche nach diesem einzigartigen, klaren „Warum“ wirkt auf die allermeisten eher blockierend. Oft führt es sogar dazu, dass Gründer gar nicht erst ins Tun kommen. Meine eigene Lebensgeschichte zeigt, dass das „Warum“ erst durch das Handeln und die gesammelten Erfahrungen klar geworden ist.
Für angehende Selbständige ist es demnach viel wichtiger, einfach zu starten, zu lernen und flexibel zu bleiben. Der Markt und die Erfahrungen werden den Weg weisen, und das „Warum“ wird sich im Laufe der Jahre immer stärker herauskristallisieren. Der Fokus sollte also nicht auf ständig reflektierender Selbstanalyse liegen, sondern darauf, ins Handeln zu kommen und auf die echten Bedürfnisse echter Kunden zu reagieren.
In diesem Sinne: Start with Starting!
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